Sandro Pohl-Rahrisch
Dresden. Lassen sich die Deutschen zu oft krankschreiben? Die Debatte um den zu hohen Krankenstand in Betrieben ist abermals angefacht worden. Hans-Jürgen Völz, Chef-Volkswirt der mittelständischen Wirtschaft in Deutschland, sprach im MDR von einem Krankenstand in Rekordhöhe und einem Missbrauch der telefonischen Krankschreibung. Er unterstütze den Vorschlag des Ärztepräsidenten, Arbeitnehmer nur noch stundenweise krankzuschreiben statt einen kompletten Tag.
Lassen sich Arbeitnehmer tatsächlich häufiger krankschreiben als früher? Wie lange bleiben sie zu Hause und warum? Sächsische.de hat die Fehlzeiten von erwerbstätigen AOK-Versicherten in Dresden ausgewertet.
Werden Beschäftigte in Dresden länger krankgeschrieben als früher?
Nicht, wenn man auf die vergangenen drei Jahre zurückblickt. Laut AOK Plus – mehr als jeder zweite Sachse ist bei Ortskrankenkasse versichert – lag der Krankenstand der Dresdner Versicherten 2023 bei 6,3 Prozent, 2022 waren es 6,5 Prozent. Das heißt: Die Versicherten waren im Schnitt an mehr als sechs Prozent der Kalendertage krankgeschrieben.
Umgerechnet waren das 2023 im Schnitt 22 Krankentage und 2022 rund 23 Tage.
Blickt man weiter zurück, insbesondere auf die Zeit vor der Corona-Pandemie, ist ein deutlicher Anstieg der Krankentage zu erkennen. So waren die Dresdner Versicherten 2018 und 2019 nur an 4,9 bzw. 4,8 Prozent der Tage per Krankenschein zu Hause. Umgerechnet waren das im Schnitt rund 17 Tage im Jahr.
Somit waren Beschäftigte im vergangenen Jahr eine volle Arbeitswoche länger daheim als vor der Pandemie.
Für 2024 zeichnen sich keine grundlegenden Änderungen ab. Der Krankenstand lag im ersten Halbjahr bei 6,2 Prozent.
Welche Krankheiten stehen auf den Krankenscheinen?
An der Stelle des Krankenscheins, an der die Diagnose vermerkt wird, hat sich nicht allzu viel geändert. Atemwegserkrankungen werden dort immer noch am häufigsten aufgeschrieben. Auf einen Versicherten in Dresden kamen im ersten Halbjahr 2024 rund drei Krankentage aufgrund von Husten, Schnupfen und Fieber – infolge einfacher, aber hartnäckiger Erkältungen, aber auch durch Corona-, Mykoplasmen-, Influenza- und Keuchhusten-Infektionen.
Aber: Atemwegserkrankungen sind ein Hauptgrund für den gestiegenen Krankenstand in Dresden zwischen 2019 und 2024. Kamen 2019 noch rund drei Krankentage bei einem Versicherten wegen Husten, Schnupfen und Fieber zusammen, so waren es 2023 rund sechs Tage.
Dahinter folgten Krankschreibungen aufgrund von Problemen mit dem Muskel- und Skelettsystem (rund zwei Tage im ersten Halbjahr), in erster Linie Rückenschmerzen. Diese nahmen in den vergangenen Jahren oft Spitzenpositionen im Krankheitsranking ein. Ebenfalls zwei Krankheitstage gehen auf psychische Erkrankungen zurück. Magen-Darm-Erkrankungen und Herz-Kreislauf-Probleme waren dagegen vergleichsweise selten so schwer, dass lange andauernde Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt werden mussten (rund je ein Krankentag).
In welchen Berufen fehlen Mitarbeiter am häufigsten?
Die AOK Plus hat die Fehltage auch nach Branchen ausgewertet, allerdings nur auf Sachsen-Ebene, nicht auf Dresden heruntergebrochen. Für Sachsen zeigt sich, dass im ersten Halbjahr 2024 Mitarbeiter im Gesundheits- und Sozialwesen – unter anderem Pflegekräfte – besonders viele Fehltage hatten (rund 14). Dahinter folgten Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltungen mit ebenfalls 14 Tagen. Die wenigsten Fehltage sind bei Bank- und Versicherungs-Mitarbeitern (10 Tage) zusammengekommen.
Sind die Dresdner öfter krank als Sachsen in anderen Städten und Kreisen?
Verglichen mit den anderen sächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten lag der Krankenstand in Dresden im ersten Halbjahr 2024 am niedrigsten. Das war auch im vergangenen Jahr so.
Krankenschein-Spitzenreiter bei den AOK-Versicherten ist zwischen Anfang Januar und Ende Juni Nordsachsen gewesen. Bereits in den vergangenen Jahren sind dort häufiger bzw. langfristiger Krankenscheine ausgestellt worden. Eine Erklärung dafür hat die AOK Plus nicht. Im Schnitt konnten Arbeitnehmer in Nordsachsen 14 Tage nicht ihrem Job nachgehen. Der benachbarte Landkreis Leipzig folgt gleich danach.
Generell sind die Fehlzeiten in den drei sächsischen Großstädten vergleichsweise niedrig.